Die Krise hat die Branchenrisiken in Teilen gehörig durcheinander verändert. In den Kreditrisikomanagement-Abteilungen von Unternehmen, Banken und Finanzdienstleistern sowie Versicherungen ist es deshalb essentiell, die Branche eines Unternehmens in sein Rating mit einzubeziehen. Nur dann können Kredit- und Limitentscheidungen auf Basis umfassender Informationen getroffen werden.
Branchen unterschiedlich stark betroffen
Die Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit von Unternehmen durch die Corona-Krise ist von Branche zu Branche stark unterschiedlich. Einige Geschäftszweige sind extrem unter Druck geraten, andere hingegen ziehen sogar Vorteile aus den veränderten Umständen. Zu den Gewinnern gehören beispielsweise Unternehmen aus dem Gesundheitssektor sowie Softwareanbieter und IT-Dienstleister. Diese Branchen profitieren zum einen von gesteigerter Nachfrage nach z. B. Hygieneprodukten oder medizinischer Schutzausrüstung, zum anderen vom Digitalisierungsschub, der (auch nur in bestimmten Branchen) seit der Corona-Krise zu verzeichnen ist. Zu den eindeutigen Verlierern gehören die Tourismusbranche und die Gastronomie, doch auch die Automobilindustrie, die Metallerzeugung und -verarbeitung oder die Textilindustrie leiden stark unter den Auswirkungen der Pandemie. Unterbrochene Lieferketten und drastisch eingebrochene Nachfrage führten zu erheblichen Einschränkungen der Wirtschaftstätigkeit.
Doch auch innerhalb einer Branche kann es Unterschiede geben. So sind z. B. die Auswirkungen auf den Großhandel stark vom Sortimentsschwerpunkt abhängig: Großhandelsunternehmen, die mit Waren des täglichen Bedarfs oder mit Apothekerprodukten handeln, können eine gestiegene Nachfrage verzeichnen, während Großhändler für die Produktionsindustrie massive Einbußen hinnehmen mussten - und nach wie vor müssen.
Allgemein haben Geschäftsmodelle, in denen dezentrales Arbeiten z. B. im Homeoffice möglich ist, in dieser Krise einen großen Vorteil.
Branchenzugehörigkeit hat hohen Einfluss auf Erfolgsaussichten
Die Branche, der ein Unternehmen angehört, gibt somit einen bedeutenden Hinweis auf seine jetzige und auch zukünftige Wirtschaftlichkeit. Bei der Bonitätsprüfung von Unternehmen und bei Entscheidungen über Kredithöhen im Rahmen der Kreditlimitprüfung sollte sie deshalb unbedingt Einfluss auf das Rating des zu prüfenden Unternehmens nehmen.
Für Unternehmen, Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen, die ein automatisiertes Kreditmanagement mittels einer Credit Management Software implementiert haben, ist dies in der Regel ohne Probleme möglich: die Branchenzugehörigkeit wird direkt von angebundenen Informationsdienstleistern mitgeliefert und mit den Stammdaten erfasst. Somit kann diese Information automatisch verwertet und - entsprechend einer Einstufung der Branche - im Rating berücksichtigt werden.
Wichtig ist zudem, dass die Gewichtung der Branche für das Rating durch den Kreditrisikomanager individuell anpassbar ist. Nur dann ist sichergestellt, dass eigene Einschätzungen z. B. durch den Vertrieb, durch Verbände oder aus anderen Quellen Berücksichtigung finden, und Besonderheiten oder Ausnahmen mit einbezogen werden können.
Entwicklung der Branchen- und Länderrisiken in 2021
Für das Jahr 2021 prognostiziert die Warenkreditversicherung Coface insgesamt eine Erholung der Weltwirtschaft. Allerdings: Es bleibt dabei - Länder und Branchen erholen sich unterschiedlich schnell. Branchen (und Länder), die z. B. stark mit dem Dienstleistungssektor oder der Automobilbranche verbunden sind, werden sich weiterhin nur schwer erholen, während andere gut durch die Krise kommen oder von ihr profitieren.
Coface Barometer: Eine ungleichmäßige Erholung (22.02.2021)
Abteilungsübergreifende Vorteile
Die Berücksichtigung der Branche im Rating von Unternehmen bietet direkte Ansatzpunkte für Maßnahmen im Kreditrisikomanagement, wie z B. das Anpassen von Limits oder auch die Adaption von Ratings. Doch auch abteilungsübergreifend ergeben sich Vorteile. So bieten sich für den Vertrieb z. B. interessante Auswertungsmöglichkeiten zur Steuerung der Akquisitionstätigkeit, zur Gestaltung der Preispolitik oder auch zur Aushandlung der passenden Zahlungsbedingungen. Auf der Lieferantenseite haben Unternehmen die Möglichkeit, die Supply Chain besser im Blick zu behalten und Störungen der Lieferkette besser vorherzusehen.