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Corona-Krise und die Bilanz 2020

Der Ausbruch der Pandemie hinterließ tiefe Spuren – auch in den Jahresabschlüssen. Wie sollten Bilanzen aus dem Jahr 2020 bewertet werden?
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, Christian Keufner

Erinnern Sie sich noch daran, wie Sie Silvester 2019 verbracht haben? Vielleicht bereiteten Sie sich auf einen sorgenfreien und geselligen Abend im Beisein Ihrer Lieben vor, während um 11:04 Uhr die zentralchinesische Regierung das Auftreten einer mysteriösen Lungenkrankheit in der Provinz Wuhan mit 27 erkrankten Personen meldete.

Eine Sache scheint jetzt schon klar, das Jahr 2020 wird mit all seinen Auswirkungen und Emotionen im kollektiven Gedächtnis verankert bleiben und zukünftigen Generationen vermutlich im Geschichts- oder Politikunterricht nähergebracht werden. In diesem Artikel möchten wir jedoch den Blick von den gesundheitlichen und emotionalen Auswirkungen hin zu den wirtschaftlichen Folgen des Jahres 2020 und die Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse aus diesem Jahr richten.

Turbulentes Geschäftsjahr 2020

Lockdown, Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfen – das Geschäftsjahr 2020 war mehr als ungewöhnlich.

Ein Rückblick: Anfang des Jahres gilt das Risiko einer Ausbreitung des Virus in Deutschland als gering, doch die Bilder aus dem Norden Italiens und die Meldungen über das vermehrte Auftreten des Coronavirus auch in Deutschland, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, zeigen, wie unvorbereitet das deutsche Gesundheitssystem auf eine solche Bedrohung ist und führt schließlich am 22. März zu einer Einigung zwischen dem Bund und den Ländern über eine strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkung.

Im Zuge dieser Einschränkungen können Millionen von Erwerbstätigen nicht mehr zur Arbeit – die Wirtschaft kommt zum Erliegen. Zügig billigt der Gesetzgeber die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und bringt Corona-Soforthilfen auf den Weg. Die öffentliche Debatte wird unter anderem davon geprägt, ob der Staat in wirtschaftlich schwierige Fahrwasser geratene Unternehmen unter die Arme greifen und Liquidität bereitstellen soll.

Die Deutsche Lufthansa, die Anfang April meldet, dass ca. 95% ihrer Flüge coronabedingt ausfallen müssen, ist vermutlich das prominenteste Beispiel dieser Debatte und bekommt schließlich am 25. Mai ein staatliches Hilfspaket in Milliardenhöhe gewährt, bevor es am 4. Juni erstmalig aus dem DAX ausscheidet. Auf diese Ereignisse folgt ein fast schon entspannter Sommer, der sich überraschend „normal“ anfühlt. Dieses Gefühl findet im Herbst ein jähes Ende, als am 2. November ein neuer „Teil-Lockdown“ in Kraft tritt.

Auswirkungen auf die Unternehmensbilanzen

Bevor wir auf die Konsequenzen dieser wirtschaftlichen Veränderungen für die Bilanzbewertung eingehen, möchten wir an zwei staatlichen Hilfsangeboten exemplarisch darstellen, wie diese buchhalterisch zu behandeln sind:

Ab März 2020 stand deutschen Unternehmen dank Kurzarbeitergeld die Möglichkeit offen, ihre Personalkosten zu reduzieren, ohne Arbeitnehmer/innen massenhaft zu entlassen. Buchhalterisch fungiert der Arbeitgeber hierbei als Treuhänder, der das Kurzarbeitergeld an seine Beschäftigten transferiert. Die Folge hieraus ist eine Verringerung des Personalaufwands, ohne das komplementäre Zahlungen in der Gewinn- und Verlustrechnung auftauchen.

Zu beachten ist jedoch, dass der Arbeitgeberanteil an Sozialversicherungsbeiträgen abweichend behandelt wird. Dieser taucht weiterhin in der Gewinn- und
Verlustrechnung auf, wird anschließend jedoch von der Bundesagentur für Arbeit erstattet und als sonstiger betrieblicher Ertrag gebucht.

Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten „Corona-Soforthilfen“, die ab dem 13. Juni bereitgestellt wurden, um Unternehmen und Selbständige zu unterstützen,
die aufgrund der Pandemie in Liquiditätsengpässe und unter wirtschaftlich massiven Druck gerieten. Bilanziert werden diese Soforthilfen wie die Rückerstattungen des Arbeitgeberanteils an Sozialversicherungsbeiträgen als sonstige betriebliche Erträge.

Es ist wichtig zu beachten, dass also die Hilfszahlungen zur Kompensation des coronabedingten Umsatzrückgangs nicht als Umsatz, sondern als sonstige betriebliche Erträge erfasst werden. Weiterhin gilt zu beachten, dass es bei der Auszahlung der Corona-Soforthilfen aufgrund langwieriger Genehmigungs- und Prüfungsverfahren zu einer Zahlung von Abschlägen gekommen sein kann, welche bis zum Zeitpunkt der formalen Bewilligung zum Aufbau von Verbindlichkeiten führen können. Der Zeitpunkt der formalen Bewilligung ist auch dafür entscheidend, in welches Geschäftsjahr die Corona-Soforthilfen fallen.

Vielzahl an Bilanzpositionen betroffen. Ein Überblick

Die Corona-Pandemie schlägt auf viele Bilanzpositionen durch. Im Folgenden finden Sie eine kurze und nicht abschließende Übersicht über betroffene Bilanzpositionen:

BilanzpositionUrsachen und Folgen
Umsatzerlöse
  • Schließung der Ladengeschäfte und Betriebsstätten aufgrund der Corona-Beschränkungen führt zu Umsatzrückgang
  • Konsument/innen meiden das Betreten von Ladengeschäften, um das Infektionsrisiko zu senken; Verlagerung der Umsätze vom stationären zum elektronischen Handel
Bei IFRS-Abschlüssen zu beachten: Umsatzerlöse dürfen nur angesetzt werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass Kund/innen ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen werden.
Materialaufwand
  • Verringerte Produktions- und Absatzmengen führen zu einem verringerten Materialeinsatz und -aufwand
  • Hohe Güter- und Rohstoffpreise führen jedoch auch zu einem Anstieg des Materialaufwands

Aufgrund langer Lieferzeiten wechseln viele Unternehmen von einem Just-In-Time zu einem Just-In-Case-Lagermanagement und erhöhen ihre Vorräte. Dies führt entweder zu einem Anstieg der Bestandsveränderungen oder des Materialaufwands.

PersonalaufwandDie Gewährung des Kurzarbeitergeldes und der Abbau von Personal führen zu einer Verringerung des Personalaufwands.
Abschreibungen
  • Wertpapiere im Portfolio des Kunden durch Kursverluste: Langfristige Kursveränderungen von Wertpapieren müssen in der Bilanz berücksichtigt werden.
  • Vorräte verlieren an Wert: Brauereien/Textilindustrie können ihre Erzeugnisse nicht absetzen und mussten diese vernichten.

Besteht ein Goodwill, muss dieser bei gesunkenem Unternehmenswert abgeschrieben werden.

Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
  • Aufgrund der Corona-Pandemie werden sich höhere Ausfallquoten einstellen, welche eine Abnahme des Forderungsbestandes zur Folge haben
Werden Wertberichtigungen am Forderungsbestand vorgenommen, führen diese zu einem Anstieg des sonstigen betrieblichen Aufwands.

Folgen für die Bewertung von Jahresabsschlüssen

Regelmäßig werden Kennzahlensysteme im Rahmen der Bilanzbewertung herangezogen – ohne diese Kennzahlensysteme ist eine fundierte Analyse von Bilanzen kaum vorstellbar. Wie bereits beschrieben haben sich die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Reduktion des Infektionsgeschehens insbesondere auf die Umsatzerlöse ausgewirkt. Viele Bewertungssysteme ziehen jedoch Kennzahlen heran, die sich auf genau diese beziehen. Beispiele hierfür sind:

  • Cashflow-Rate = betrieblicher Cashflow / Umsatzerlöse
  • Umsatzrentabilität = (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit + Zinsaufwendungen) / Umsatzerlöse
  • EBIT Quote = EBIT / Umsatzerlöse
  • Rohertragsquote = (Umsatzerlöse + sonstige betriebliche Erträge - Materialaufwand) / Umsatzerlöse
  • Gesamtkapitalumschlag = Umsatzerlöse / Aktiva

Eine aussagekräftige Bonitätsanalyse des Unternehmens aufgrund einer isolierten Betrachtung des Jahresabschlusses scheint schier unmöglich und führt wohl zu wenig verlässlichen Resultaten. Doch wie sollen Analyst/innen nun die Zahlungsfähigkeit der Unternehmen aufgrund der Finanzberichte aus dem
Geschäftsjahr 2020 einschätzen?

Bewertung von Bilanzpositionen in Corona-Zeiten: Das gilt es zu beachten

Es lässt sich festhalten, dass die coronabedingten Verwerfungen eine genauere Betrachtung der Jahresabschlüsse notwendig machen, um die individuelle wirtschaftliche Situation und das Krisenmanagement eines Unternehmens verlässlich beurteilen zu können. Empfehlenswert ist auch eine enge und zeitnahe Prüfung, beispielsweise durch betriebswirtschaftliche Analysen, um kurzfristig auf Veränderungen reagieren und somit wirtschaftliche Schäden abwenden zu können.

Automatisierung notwendig

Doch wer soll all diese zeitaufwändigen Analysen durchführen? Eine (teil-) automatisierte Analyse mittels einer kurzfristig eingeführten Bilanzanalyse-Software führt zu einer zeitlichen Entlastung des Analyseteams und setzt somit Kapazitäten frei, um sich mit der Prüfung relevanter Kunden und Lieferanten zu beschäftigen. Eine solche Bilanzanalyse-Software dient regelmäßig auch als Frühwarnsystem und informiert über auffällige Veränderungen der Unternehmensscorings.

Idealerweise unterstützt die Bilanzanalyse-Software auch bei der Durchführung von Vergleichen. Insbesondere Zeit- und Betriebsvergleiche sind ein probates Mittel, um die Unternehmensperformance und -bonität auch in unsicheren Zeiten einschätzen zu können. Zeitvergleiche liefern Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit sich die Zahlen eines Unternehmens im Verlauf verändert haben. Anhand der Betriebsvergleiche lässt sich ablesen, wie das Unternehmen die Krise im Vergleich zu anderen Unternehmen gemeistert hat. Ausgestattet mit einem solchen Tool, lassen sich anhand der Jahresabschlüsse des Geschäftsjahres 2020 verlässliche und transparente Bilanz- und Unternehmensbewertungen durchführen.

Über den Autor
Christian Keufner

Während seines Einstiegs bei SCHUMANN arbeitete Christian Keufner an den SCHUMANN-Lösungen zur Bilanzanalyse. Mittlerweile ist er als Business Development Manager in Financial Services im Bereich Leasing tätig und verantwortet deren Vertrieb und Marketing.

Neben seiner Tätigkeit bei SCHUMANN studierte er zusätzlich den Master of Science "Steuerlehre". Im Rahmen seines Master of Science "Nachhaltiges Wirtschaften" setzt er sich intensiv mit Fragestellungen rund um das Thema Nachhaltigkeit und ESG auseinander.

Business Development Manager, SCHUMANN

Christian Keufner