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Insolvenzen im Hoch?

Insolvenzen in Deutschland steigen wieder an – erfahren Sie im SCHUMANN Insights, warum das Baugewerbe, die Logistikbranche und sogar Krankenhäuser betroffen sind und welche wirtschaftlichen Faktoren dahinterstecken.
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, Prof. Dr. Matthias Schumann

Steigende Insolvenzen: Prognosen für 2024

Im ersten Quartal 2024 gab es in Deutschland mehr als 5.000 Insolvenzen. Für das laufende Jahr werden mehr als 20.000 Insolvenzen erwartet. Ist das ein neues Hoch und sind das die Folgen der mauen Konjunktur oder steckt mehr dahinter?

Historische Perspektive

Betrachten wir die vergangenen 15 Jahre, so ist die zahlenmäßige Insolvenzerwartung für 2024 noch ausgesprochen moderat. In den Nachwirkungen der Finanzkrise 2010 lag diese Zahl bei 32.000 Insolvenzen. Sie sank dann sukzessive bis 2019 auf 18.700. Auch um 2000, zu Zeiten der Internet-Blase, gab es Insolvenzzahlen, die deutlich über 25.000 lagen. Dieses ist also nicht ungewöhnlich. Ausreißer waren die Insolvenzzahlen während der Corona-Krise, die seinerzeit nur zwischen 14.000 und 16.000 lagen. Staatliche Hilfen, insbesondere das Kurzarbeitergeld und Überbrückungsgeld, trugen zum Überleben von Unternehmen bei, die eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Diese Nachwirkungen werden jetzt aufgeholt. Eventuell wurden dadurch auch Unternehmen, die durchaus angemessen aufgestellt waren, in Mitleidenschaft gezogen. Der Preiswettbewerb der gestützten Konkurrenz hat hier möglicherweise ebenfalls schieflagen erzeugt.

Schadenswerte und Wirtschaftliche Faktoren

Ein Blick auf die Schadenswerte zeigt ein differenziertes Bild. Das teuerste Insolvenzjahr war 2009 mit fast 79 Mrd. Euro. Schon 2021 folgte mit 51 Mrd. Euro und im vergangenen Jahr betrug der Schaden 34 Mrd. Euro in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass dieser Wert für 2024 deutlich steigt. Dies macht deutlich, dass trotz 30 Prozent geringerer Insolvenzzahlen, als 2010 höhere Schadensummen mit den Insolvenzen verbunden sind. Dies hat auch mit den deutlich gewachsenen Außenständen in der deutschen Wirtschaft zu tun.

Branchen im Fokus

Sicherlich tragen in energieintensiven Branchen die gestiegenen Energiepreise zu steigenden Insolvenzen bei. Ebenso zeigen die gestiegenen Zinsen Wirkung. Dies betrifft alle Wirtschaftsbereiche, in denen die Insolvenzen ansteigen. Überdurchschnittlich häufig ist – auch aufgrund der zögerlichen Aktivitäten im Hochbau – das Baugewerbe betroffen. Hier ist auch die Eigenkapitalausstattung traditionell gering. Es trifft aber auch Logistikdienstleister.

Zeitarbeitsfirmen und Gesundheitswesen

Zeitarbeitsfirmen leiden unter mangelnder Auftragslage, wobei die Zeitarbeitskontrakte als erstes zurückgefahren werden. Auffällig ist die Zunahme von Insolvenzen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, obwohl gerade bei Letzteren der Bedarf hoch ist. Besonders im Krankenhausbereich gab es im vergangenen Jahr mehrere große Insolvenzen. Die Automobilzulieferindustrie leidet ebenfalls unter der Absatzflaute im PKW-Bereich. Dazu kommen der digitale Wandel und die Umstellung auf E-Motoren.

Einzelfälle und Marktdynamik

Natürlich gibt es auch Insolvenzen, die sich durch Liquiditätsschwächen schon länger abgezeichnet haben. Das Touristikunternehmen FTI ist ein solches Beispiel hoher Verschuldung – auch durch Coronahilfen. Eigentlich sollte ein Investor das Unternehmen übernehmen, um frisches Kapital zu investieren. Dazu hätte es eine Kartellprüfung geben müssen, die jedoch nie angemeldet wurde, was zeigt, in welchem Stadium die Verhandlungen waren. An mangelndem Reisewillen von Kunden und Aufträgen lag diese Insolvenz nicht.

Bei der Insolvenz von GALERIA Karstadt stellen sich zwei Fragen: Waren die Mieten des ebenfalls insolventen Eigentümers Signa Holding zu hoch und insbesondere, ist das Geschäftsmodell der Kaufhäuser bei dem mittlerweile hohen Anteil an Internet-Handel in den Kaufhaus-Marktsegmenten heute noch tragfähig? Gerade im Bekleidungsbereich erreicht der Online-Handel inzwischen ca. 20 Prozent des Handelsvolumens, bei Schuhen 25 Prozent, elektrischen Haushaltsgeräten fast 30 Prozent und Kosmetik 10 Prozent. Im Jahr 2023 war, gemessen an der Beschäftigtenzahl, das größte insolvente Unternehmen der Bekleidungshändler Peek & Cloppenburg. Auch Gerry Weber meldete Insolvenz im Retail-Geschäft an.

Durch die Signa-Pleite dürften auch Unternehmen der Baubranche auf ihren Forderungen sitzen bleiben und eventuell ebenfalls Probleme bekommen. Hier sind Folgeeffekte zu erwarten, die häufig bei Insolvenzen großer Unternehmen auftreten und teilweise für ihre Lieferanten Folgeinsolvenzen auslösen.

Internationale Perspektive

Auch international wird insgesamt mit steigenden Insolvenzzahlen gerechnet. Die nur schwach wachsende Weltwirtschaft sowie die Folgen der Konflikte auf dieser Welt können als Gründe genannt werden. Hinzu kommt der technologische Wandel, der strukturelle Veränderungen nach sich zieht. Deutschland steht damit nicht allein und wir haben keine außergewöhnliche Situation.

Fazit

Damit zeigt sich: Es gilt, bei Lieferantenkredit wachsam zu sein und die Liquidität der Kunden zu beobachten. Das Baugewerbe und der Handel – insbesondere dort, wo der Online-Handel massiv Umsatzanteile hält – stehen im Fokus. Aber auch Krankenhäuser und Pflegeunternehmen sind mit steigender Tendenz nicht ausreichend finanziert oder die Preissetzungen des geregelten Marktes reichen nicht, um die Kosten zu decken. Risikomanagement Software kann hier helfen, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und auf breiter Front wachsam zu bleiben.

Über den Autor
Prof. Dr. Matthias Schumann

Seit 1991 hat Prof. Dr. Matthias Schumann eine Professur für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik (Professur für Anwendungssysteme und E-Business) an der Universität Göttingen inne. Er leitet auch das gemeinsame Rechenzentrum der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Er ist Gesellschafter der Prof. Schumann GmbH.

In der Forschung beschäftigt sich Prof. Schumann unter anderem mit Informationssystemen bei Finanzdienstleistern und Systemen zum Kreditmanagement sowie Fragen zum Wissens- und Bildungsmanagement. Prof. Schumann verfügt über vielfältige Erfahrungen in der Beratung von Unternehmen, umfangreiche Vortragstätigkeiten und über mehr als 350 Veröffentlichungen.

Universität Göttingen

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