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Das Konzept der nachhaltigen Finanzierung für Finanzinstitute

Mit dem "Green Deal" gibt die EU den Takt für eine Entwicklung hin zu nachhaltigen Finanzierungsmodellen vor. Worauf müssen sich die Finanzinstitute in Zukunft einstellen?
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, Robert Meters

Das Konzept nachhaltiger Finanzierung und der ‚ESG‘ ist seit geraumer Zeit in aller Munde, doch es gibt immer noch zahlreiche ungelöste Fragen zur Umsetzung im Finanzsektor. Aus diesem Grund haben wir dieses Thema auf die Agenda der letzten SCHUMANN Konferenz Digitales Kreditmanagement gesetzt, die sich u.a. an Entscheider und Führungskräfte aus Unternehmen, Finanzinstituten und der Versicherungswirtschaft richtet.

Thomas Maletz, Vizepräsident Regulatory Compliance bei BFS finance, teilte mit uns seine Auffassung der Fragen, die sich aus Sicht eines Finanzdienstleisters aus dem Konzept der nachhaltigen Finanzierung ergeben.

Was ist nachhaltige Finanzierung und warum spielt sie eine große Rolle?

Nachhaltigkeit im Finanzsystem bezeichnet den Einbezug von Umwelt-, sozialen und Unternehmensführungsaspekten in die Entscheidungen von Finanzakteuren. Ziel ist es, Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten zu tätigen und einen Wandel hin zu einer ressourceneffizienteren und nachhaltigeren Wirtschaft zu vollziehen.

Der Finanzsektor spielt bereits jetzt eine Schlüsselrolle: Er hat einen enormen Einfluss auf die Schaffung einer nachhaltigeren Zukunft, da seine Akteure darüber entscheiden, ob sie Forschung in den entsprechenden Bereichen zulassen oder Unternehmen unterstützen, die ESG-Kriterien bei ihrer Geschäftstätigkeit respektieren und befolgen. Nachhaltige Finanzen beziehen sich daher auf den Prozess der angemessenen Berücksichtigung ökologischer und sozialer Erwägungen bei Investitionsentscheidungen.

Woher kommt die Verlagerung hin zur "grünen Finanzierung"?

Im September 2015 einigten sich die Staats- und Regierungschefs sowie hohe Vertreter am Sitz der Vereinten Nationen in New York auf die sogenannte "Agenda 2030" mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Die UN-Mitglieder erklärten, dass sie "verpflichtet sind, eine nachhaltige Entwicklung in ihren drei Dimensionen - Wirtschaft, Soziales und Umwelt - in ausgewogener und integrierter Weise zu erreichen."

Auf die Agenda 2030 folgte im Dezember 2015 das "Pariser Abkommen zum Klimawandel" (COP21). Es gilt als Meilenstein im multilateralen Klimaschutzprozess, da es sich zum ersten Mal in der Geschichte um einen rechtsverbindlichen internationalen Vertrag im Kampf gegen den Klimawandel handelt. Die Mitglieder vereinbarten, alle fünf Jahre mit einem aktualisierten Plan zusammenzukommen, der ihre zunehmend ehrgeizigen Bemühungen widerspiegelt. Die UN-Klimakonferenz in Glasgow im Jahr 2021 (COP26) war das erste Treffen der Mitglieder nach der COP21, um ihre Strategien zu überarbeiten.

Im Jahr 2019 verpflichtete sich die EU, eine globale Führungsrolle im Bereich des Klimawandels zu übernehmen. Der "European Green Deal" wurde ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die EU bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Eines der Ergebnisse war die "Verordnung über die Offenlegung von Angaben zur Nachhaltigkeit im Finanzdienstleistungssektor" im März 2021 und das "Fit für 55“-Paket im Juli 2021, eine Reihe miteinander verbundener Vorschläge, die alle auf das gleiche Ziel abzielen.

Druck auf den Finanzsektor

Die oben beschriebenen Entwicklungen erklären den wachsenden Druck von Seiten der Politik und der Regulierungsbehörden. Und tatsächlich tut sich auch im privaten Finanzsektor etwas. In seinem Vortrag nannte Thomas Maletz einige Beispiele von Investoren, Versicherungen und Unternehmen, die ihre Einstellung und ihre Politik ändern und nachhaltige Strategien anstreben.

Blackrock zum Beispiel vollzieht einen "tektonischen Wandel hin zu nachhaltigen Investitionen". Blackrock ist Anteilseigner und Aktionär tausender großer Unternehmen auf der ganzen Welt und drängt Unternehmen, Investoren und Vermögensverwalter dazu, nachhaltiger zu wirtschaften. Der Grund dafür: Sie erwarten, dass sie mit nachhaltigen Anlagen mehr verdienen als mit nicht-nachhaltigen Anlagen.

Andere Beispiele, die den Paradigmenwechsel der letzten zwei Jahre verdeutlichen, sind große Versicherer wie AXA und Allianz. Sie haben angekündigt, ihre Beschränkungen für das Geschäft mit Kohle, Öl und Sand zu verschärfen. Es wird sehr interessant sein zu sehen, welche Auswirkungen dies auf das Verhalten der Kreditversicherer und die Festlegung von Kreditlimits haben wird.

Ein richtungsweisender Fall war sicherlich das Urteil des niederländischen Gerichts im Juli 2021, dass der Ölriese Shell seine Emissionen reduzieren muss, um seine Politik mit dem Pariser Abkommen in Einklang zu bringen. Das Urteil gilt nur für die Niederlande, wird aber sicherlich auch anderswo Auswirkungen haben.

Laut Thomas Maletz ist zu erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.

Nachhaltige Investitionsentscheidungen bringen neue Risiken mit sich

Das Tagesgeschäft der Anlage- und Kreditentscheidungen wird von der Verpflichtung geprägt sein, soziale und ökologische Aspekte zu berücksichtigen.

Maletz sieht drei interagierende Risikokategorien, die es zu identifizieren und zu bewerten gilt:

  • Physische Risiken, wie z.B. Gefährdungen.
  • Transitionsrisiken auf der Kundenebene, wie zum Beispiel: Welchen Wert hat die Kohlenstoffblase in der Bilanz? Was geschieht durch den starken Anstieg der Kohlenstoffkosten? Werden die Kunden ihre Strategien, ihre Märkte, ihre Zielgruppen ändern?
  • Rechtliche und regulatorische Risiken, wie Änderungen der Gesetzgebung (z. B. in Lieferketten), regulatorische Anforderungen von Investoren und Reputationsrisiken.

Diese Risiken stellen eine neue Kategorie von Risiken für Finanzinstitute dar: Traditionell wurden Aspekte wie Kreditwürdigkeit und Betrug berücksichtigt. Dieses Spektrum muss nun ausgeweitet werden.

Die Triebkräfte des Übergangs zur „grünen Finanzierung“

Thomas Maletz sieht vier Haupttreiber für den Übergang zu nachhaltigen Finanzen:

  • Die Unternehmenskultur: Unternehmen müssen die Frage beantworten, ob Nachhaltigkeit ein Unternehmenswert sein sollte. Und wenn die Antwort ja lautet - gehört sie dann schon dazu? Laut Maletz sollte sie es sein, denn ohne sie könne sich ein Unternehmen nicht weiterentwickeln. Er sieht große Chancen darin, Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur zu integrieren. Junge Berufstätige zum Beispiel erwarten, dass Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur eines Unternehmens ist, für das sie arbeiten. Die Einhaltung von ESG-Kriterien ist ein wichtiger Aspekt bei der Wahl eines Arbeitgebers. Und gut ausgebildete Fachkräfte haben heute eine große Auswahl.
    Das Gleiche gilt für künftige Kunden: Die junge Generation wird ihre Entscheidungen zugunsten von Unternehmen treffen, die ihre Aktivitäten auf Nachhaltigkeit ausrichten.
  • EU- und nationale Vorschriften: Die Verordnung folgt bekannten Fußstapfen: Sie fordert die Entwicklung einer Strategie und die Einrichtung eines Risikomanagements, einschließlich Risikoanalyse, Klassifizierung, Risikominderung, Überwachung und Berichterstattung - also alles wie gehabt. Der neue Aspekt ist die Klassifizierung mit Hilfe eines Kunden-ESG-Ratings. Ein verlässliches ESG-Rating zu erhalten, ist eine der größten Herausforderungen für Risikomanager, insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen, da es dafür keine öffentlich zugänglichen Informationen gibt.
  • Investoren: Investoren sind auf der Suche nach rentablen und nachhaltigen Finanzanlagen. In Bezug auf die nachhaltige Risikoklassifizierung von Kunden wird ein Kunden-ESG-Rating ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Investoren sein und kann dies bereits sein.
  • Kunden: Regulatorische Anforderungen und das damit verbundene Interesse von Großanlegern an nachhaltigen Investments haben nicht nur Großkonzerne erreicht, sondern rücken auch zunehmend in den Fokus von kleinen und mittleren Unternehmen. Ausgelöst durch die Gesetzgebung zur Lieferkette und die vermehrten Anfragen von finanzierenden Banken nach unternehmensbezogenen ESG-Informationen sehen Geschäfts- und Finanzmanager zunehmend die Notwendigkeit, ihre Unternehmen und Strategien an ESG-Kriterien auszurichten. Infolgedessen steigt die Nachfrage dieser Unternehmen nach ESG-konformen Finanzierungen.

Fazit

Man kann darüber diskutieren, ob es einen Klimawandel gibt oder nicht. Aber was auch immer das Ergebnis einer solchen Diskussion sein mag: Tatsache ist, dass Veränderungen bereits stattfinden und dass die Finanzinstitute durch Vorschriften zum Handeln gezwungen werden. Investoren und Unternehmen werden zu nachhaltigeren Investitionen, Vermögenswerten und Kunden gedrängt.

Mit den vorhandenen Instrumenten und Techniken können die Herausforderungen bewältigt werden.


Über den Autor
Robert Meters

Robert Meters ist Director of Global Business bei SCHUMANN. Er studierte Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management an der Hochschule für Wirtschaft und Management in Düsseldorf und Essen. Seit 1993 ist er im Kreditrisikomanagement tätig und hat für führende Informationsdienstleister sowie in der Telekommunikationsbranche gearbeitet.

Robert berät und betreut Kunden bei der Automatisierung des Kreditrisikomanagements für den Finanzdienstleistungssektor mit hervorragenden Referenzen in den Bereichen Leasing, Factoring, Banken und Warenkreditversicherung.

Director Global Business, SCHUMANN

Meters Robert